Daß die Mayas und die Azteken Menschenopfer für ihre diversen Götter darbrachten, und zwar meist auf grausame Art und Weise, besaß einen egoistischen Grund. Die Götter sollten im Gegenzug wohlgesonnen zu ihnen sein, dafür sorgen, daß die Sonne jeden Tag wieder aufging, ein positiver Einfluß auf die Maisernte ausgeübt und zur richtigen Zeit der Regen herbeigeführt wurde, die Fruchtbarkeit der Menschen nicht nachließ usw. Natürlich war es eine in den Wahnsinn ausgeartete Religion, aber nach ihrer Logik gleichzeitig auch ein Geschäft. Zudem eins mit null eigenem Einsatz. Denn die Opfer sammelte man nicht unter der eigenen Bevölkerung ein, sondern bei abgelegenen Urwaldstämmen oder verfeindeten Völkern.

Als netter Nebeneffekt gebar das Ganze eine höchst privilegierte Priesterkaste, die, enthoben aller weltlichen Mühsal, eine hofstaatartige Eliteschicht bildete.

Das Resultat dieses barbarischen Geschäftes mag wohl dem Gesetz der Wahrscheinlichkeitstheorie entsprochen haben: Fifty-fifty. Mal schien die Sonne, mal nicht, mal war die Ernte üppig, mal gab es Mißernten, mal regnete es, mal nicht, mal stieg die Einwohnerzahl, mal schrumpfte sie.

Die Befürworter der Menschenopfer konnten immer mit der beachtlichen fünfzigprozentigen Trefferquote auftrumpfen, und die restliche Versagerquote kam selbstverständlich daher, daß man nicht noch mehr Menschen geopfert hatte. Aber egal, irgendwann waren diese Mordrituale ohnehin zu so etwas wie Folklore geworden.

Der Kern der Menschenopferei war jedoch, daß wie jede seit Menschengedenken existierende Politik mit ihrer Methode dem Volke die Erhaltung seines erarbeiteten Wohlstands, ja, sogar dessen Steigerung versprach und garantierte. Noch nie hatten Herrscher und Machthaber für sich damit geworben, unter ihrer Regentschaft würden alle verarmen, ihrer errungenen Lebensqualität verlustig gehen und ihre Träume von einem besseren Leben in der Zukunft zunichte gemacht werden. Das ist nämlich das Wesentliche an einem Geschäft, zu dem auch die Politik gehört. Ein Geschäft kommt stets zustande, wenn der Partner oder die Partner ein jeder für sich dadurch einen Vorteil für sich wittern. Niemand steigt in ein Geschäft ein, dessen Plan einem von vornherein ein Minus in Aussicht stellt.

Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wurde dieses Prinzip vor zwanzig Jahren in Deutschland in sein Gegenteil verkehrt.

Der Wanderer steht nun in der Finsternis des Waldes. Nur der Dreiviertel-Mond über den Baumkronen taucht das Bäumemeer in ein kaum wahrnehmbares, geisterhaftes Licht.

Und da liegt auch die erste Leiche vor seinen Füßen. Eine Frau, ausgestreckt auf dem Bauch liegend, kein Gesicht zu sehen, nur der Hinterkopf mit den langen Haaren, die Hose bis zu den Knien heruntergezogen, der Slip ebenso, der von dem langen Pullover halbverdecke Hintern ein Vulkankrater an Blut. Sie ist offenbar von mehreren Männern zu Tode vergewaltigt worden. Vielleicht waren auch irgendwelche scharfen Gegenstände im Spiel.

Er hat so etwas oft gesehen, kann kein Mitleid empfinden, keine Rücksicht darauf nehmen. Sofort macht er sich über ihre Taschen her. Sie besaß bestimmt einen Rucksack oder einen Koffer, aber ihre Peiniger haben die wohl mitgenommen.

Es gleicht einem Wunder! Tatsächlich findet er in ihrer rechten Jackentasche noch eine kleine Konservenbüchse. Er will nicht einmal wissen, was sich darin verbirgt. Das Verfallsdatum ist vermutlich auch abgelaufen, aber wen interessiert schon so etwas heutzutage. Ihn sicher nicht. Er wird nach zwei Tagen wieder etwas in seinen Bauch kriegen, so viel ist sicher. Auf die Tiere im Wald kann er jedenfalls nicht zählen. Sie wurden nach und nach alle getötet und aufgefressen. Sogar die Vögel.

Die Scheinrealität – wie wurde sie aufgebaut? Und von wem? Wie dressierte man so viele Menschen dazu, daß sie auf dem Höhepunkt der Zivilisation und ihres Wohlstands bereit waren, alles zu opfern, ihr kleines materielles Glück, ihre Lebensqualität, ihre Lebensträume, ihre Existenz, am Ende sogar ihre Kinder?

Der Trick war der erst auf leisen Sohlen des einzig Guten und Vernünftigen daherkommende, dann jedoch sich immer totalitärer gebärdende “Umweltschutz” und alles, was damit assoziiert wurde. In Wahrheit jedoch war der Umweltschutz das Apokalyptischste, was dem aufgeklärten Menschen in seiner Historie je passieren konnte.

Dabei ging man von der vollkommen irren Theorie aus, daß die vom Menschen arg geschändete, ja, zerstörte Natur per se ein schutzloses Opfer sei, eine Art liebe, aber inzwischen verwundete Mutter, die ihre schützenden Hände über den Planeten spannt, und die Menschheit nur überleben könne, wenn man mit ihr “im Einklang” lebe. Die meisten Menschen verwechselten seinerzeit sogar ihren Garten mit den vielen Blumen, ihre Nahrungsmittel oder ihre Haustiere mit der Natur, obwohl diese komplett auf Zuchtmanipulationen beruhten und das Resultat ihres geschmacklichen und ästhetischen Empfindens waren. Sie dachten, ihre Wälder, die Luft, die sie einatmeten, die Nahrungsmittel, die sie zu sich nahmen, der Schnee auf den Bergen und das “saubere” Meer, das sei alles Natur. Das war jedoch zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen, nachdem der Mensch ein Bewußtsein erlangt hatte.

Die Natur war immer und überall ein chaotisches, für Mensch und Tier fast zu hundert Prozent tödliches System gewesen, von seinem Wesen her böse. Weil sie eben keinen Willen und keinen Zweck besaß, sondern einem hirnlosen, blinden Wüterich glich. Es war der Natur scheißegal, ob man auf den Planeten Zehntausende Atombomben warf oder das Klima verrückt spielte und alles auslöschte. In Hunderten oder tausend Jahren würde sie sich auch davon erholen und wieder so fortfahren, als sei nix passiert.

Erst, als der Mensch die Natur unter seine Kontrolle zu bringen begann, sie schließlich zähmte, wurde sie zum Objekt der Anbetung, zu einem alles heile machenden gütigen Wesen und zu etwas unbedingt Schützenswertem. Dabei vergaß man, daß die Grundlage der menschlichen Ernährung die Landwirtschaft einst gerodete Urwälder und durch Züchtung genmanipulierte Tiere waren. Und ebenso, daß ein gefahrloses Ansiedeln irgendwo in der Natur erst dann in Frage kam, nachdem man die Wölfe und Bären im Wald ausgerottet, ja, selbst den verbliebenen Wald völlig umgestaltet hatte.

Umweltschutz konnten sich stets Wohlstandsgesellschaften leisten. Arme Gesellschaften hatten ganz andere Probleme, als ihre Flüsse sauber zu halten.

Als man bestimmte Naturgebiete zu ersten Nationalparks erklärte, war die weiße Menschheit bereits so satt mit den elementarsten Dingen des Lebens und darüber hinaus ausgestattet, daß sie sich aus einem romantischen Gefühl für das Ursprüngliche heraus leisten konnte, riesige Flächen ihrer Territorien sich selbst zu überlassen, Natur Natur sein zu lassen, sich nur an ihrem Anblick zu ergötzen und in der Freizeit darin vielleicht für ein paar Tage den asketischen Selbstversorger mit Zelt und Angelrute zu spielen.

Damals hätte niemand ahnen können, daß aus dieser Umweltschutzidee, nichts am natürlichen Zustand des Planeten zu ändern, jegliche Abweichung von der “Unberührbarkeit” zu verdammen und ganz im Gegenteil wieder zu einem halluzinierten Garten Eden ohne menschliche Eingriffe zurückzukehren, die Zivilisation um Jahrhunderte zurückwerfen und all den durch das menschliche Genie erschaffenen Reichtum, das wahre Paradies, vernichten würde.

Anfangs klang diese Idee tatsächlich sehr verlockend. Wer sollte etwas dagegen haben, daß, wenn es schon propere und prosperierende Städte gab, die durch sie fließenden Flüsse nicht mit Abwässern und Chemikalien durch die Industrie verschmutzt wurden, die rauchenden Fabrikschornsteine keine Lungenschäden verursachten und sich die Abgase der Autos auf ein Minimum reduzieren ließen? Niemand!

Das Problem war nur, daß sich das Umweltschutz-Ding für das niedere Volk im Lauf der Zeit immer abstrakter und undurchsichtiger gestaltete. Zudem entwickelte es sich zu einer Meta-Industrie, deren Billionengewinne nicht mit der Herstellung von etwas Brauchbarem und Nützlichem generiert wurden, sondern mit der bloßen Verkündung von merkwürdigen Theorien und Behauptungen, irgendwelchen Zertifikatspapieren, der Durchsetzung von Gesetzen durch völlig ahnungslose Gesetzgeber und natürlich einer Zwangsabgabe für jeden Steuerpflichtigen.

Ähnlich wie bei den Mayas und Azteken brachte die Sache eine immer mächtiger werdende und am Schluß die mächtigste Priesterkaste der Welt hervor. Diesmal modern, pseudoakademisch gebildet und wissenschaftlich tuend, legte sie fest, was der normale, genauer “unschuldige” Zustand des Planeten sei und welche Opfer man dafür zu erbringen habe.

Am Anfang hatte diese Priesterkaste die Menschen dadurch für sich zu gewinnen versucht, daß die ökologisch bedingten Veränderungen ihres Lebensstils und die dadurch entstehenden Kosten ja ihretwillen sei, daß man ihnen damit also etwas Gutes tun wolle. Doch mehr und mehr ging es ihr gar nicht mehr um den Menschen, der war bald sogar ein Störfaktor, schlußendlich der zu bekämpfende Feind des anvisierten “natürlichen” Naturzustands. Es ging jetzt nicht mehr um Schmutz und Gift, sondern um die Regulierung von ungeheuer komplexen, physikalischen Phänomenen wie das globale Klimasystem oder um die Art und Weise von Energiegewinnung.

Im Finale wurde der einfache Mensch auch nicht mehr gefragt. Die Priesterschaft, zu der sich auch die Politik inzwischen gesellt hatte, proklamierte, daß es so sei wie es sei und der einfache Mensch sich in den “globalen Plan” zu fügen habe. Tatsächlich kehrte damit die einst besiegt geglaubte grausame Natur wieder zurück und zeigte ihr wahres Gesicht.

Hungersnöte folgten, viele erfroren an Wintertagen, wegen immer knapper und teurer werdender Energie wurde ein Wirtschaften und Leben auf einem zivilisatorischen Niveau unmöglich, durch die Verteufelung und schließlich Quasi-Verbot der Mobilität schnitt man die Menschen voneinander und ihren Arbeitsplätzen ab, alles verfiel in einen archaischen Zustand.

Dieser Irrsinn hing damit zusammen, daß kein Mensch uneigennützig handelte – auch die “Guten” nicht. Kriegsgewinnlern wie eh und je war es den Angehörigen der Priesterschaft und ihren millionenfachen staatlich alimentierten Unterpriestern hinter den Kulissen natürlich gelungen, den noch verbliebenen Rahm des bescheidenen Wohlstands der Menschen mit drakonischen Steuern und ähnlichen Abgaben – wohlgemerkt zusätzlich zu den üblichen Steuern und Abgaben – zur Wiederherstellung der reinen Natur abzuschöpfen und ihn in ihre eigenen Taschen zu leiten. Bis Arbeit, überhaupt eine ausgeübte Tätigkeit für den Lebensunterhalt nicht mehr lohnte und nichts übrigblieb.

Als Mao Zedong 1976 starb, war die staatliche Propaganda in China mächtig stolz darauf, diesmal sogar wahrheitsgemäß zu verkünden, daß der “Überragende Führer” keinen irdischen Besitz hinterlassen hätte. Nicht einmal eigene Möbel, geschweige denn Villen, teure Autos oder dergleichen hatte er zu seinen Lebzeiten besessen, selbst die Matratze, auf der er geschlafen hatte, war nicht sein Eigentum gewesen.

Die Wahrheit hinter solch einem selbstlosen Charakter sah allerdings etwas anders aus. Mao brauchte nichts zu besitzen, denn er besaß ja schon alles, nämlich ganz China! Wenn er in einem Palast wohnen wollte, dann baute man ihm schnell einen. Wenn es ihm nach getaner Arbeit nach 16-jährigen Mädchen gelüstete, so besorgte man ihm welche – und ihn verlangte es fast jede Nacht danach. Und wenn er irgendwo in Ruhe seinen Urlaub verbringen wollte, so evakuierte man ganze Städte, damit er sich als einziger Tourist am Strand erholen konnte.

Nach dieser Methode verfuhren auch die Naturfreude des deutschen Staates. Nur sie entschieden darüber, wie eine echte Natur auszusehen habe, ab welchen Graden die Klimata auf dem Planeten rundliefen, wieviel Fleisch gegessen wurde und ob überhaupt und wie viele Geschlechter es gab. Nach und nach besaßen sie das ganze Land, und damit war auch das menschliche Inventar darin gemeint …

… bis das Land irgendwann implodierte und alles zusammenbrach.

Zum Glück für die Herrschenden gewaltlos, denn ihre einstigen Arbeitssklaven, ganz früher Bürger genannt, glichen inzwischen mit Psychopharmaka vollgepumpten Labormäusen, die nach der Abschaffung der Käfige, weil jetzt das ganze Land ein einziger Käfig geworden war, ziel- und sinnlos umherrannten. Wanderer eben.

Aus der Finsternis des Waldes tritt dem Wanderer eine Frau entgegen. Sie ist vermutlich noch sehr jung, besitzt aber bereits ein Greisengesicht voller Runzeln. Es ist eine verwahrloste, schmutzige Erscheinung mit zerzausten Haaren. Sie trägt mehrere Strickjacken übereinander, zerrissen und mit großen Löchern versehen.

“Du hast die Konserve eingesteckt, ich habe es gesehen”, sagt sie. “Aber ich war zuerst da. Teile sie mit mir.”

“Nein”, sagt der Wanderer. “Hau ab!”

“Du mußt, du mußt!” beharrt sie!

“Gar nichts muß ich. Hau endlich ab!”

Sie kniet sich vor ihm hin, macht sich an seiner Hose zu schaffen und versucht den Reißverschluß zu öffnen.

“Hör auf damit”, sagt er. “Ich will das nicht.”

“Es macht mir nichts aus”, erwidert sie. “Ich bin jetzt total geil geworden. Und nachher teilen wir uns die Konserve.”

“Laß das!”, sagt er und versucht sie mit beiden Händen von sich fernzuhalten.

Aber sie schwingt sich wie am Gummiband gezurrt immer wieder vorwärts und fummelt weiterhin am Reißverschluß, als sei sie ein kaputter Roboter, der dennoch an seinem Programm festhält.

“Hör endlich auf, laß das, verdammt!” fängt er an zu brüllen. Aber sie macht immer weiter.

Er greift in die große Innentasche seiner Jacke und zieht den Knüppel heraus. Dann drischt er damit wie besinnungslos auf ihren Kopf ein. Sie wird augenblicklich regungslos, geradezu zu einer knienden Statue mit aufgerissenen Augen. Ihre Haare wirken jetzt matschig, blutmatschig.

Noch zwei, drei Hiebe, dann kippt sie endlich um.

Es ist ihm egal, er hat es nicht zum ersten Mal getan. Und wird es wieder tun, wenn es notwendig ist. Warum, weiß er nicht, denn er ist ja selbst ein Toter, ein Untoter, der vom Leben so weit entfernt ist wie der Tod nur sein kann.

Das ist wohl die wahre, die reine Natur, von der sie alle gesprochen haben.

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